Wrightwood & Tehachapi

Meilen 267 – 558

Am 03. Mai haben wir Big Bear verlassen mit dem Ziel von da erstmal nach Wrightwood zu kommen. Nach dem Pausentag in Big Bear werden wir erstmal mit einer entspannten Wanderung mit Blick über den Big Bear Lake und verschneite Bergkuppen in Wolken im Hintergrund belohnt. Anfang Mai war es nochmal kälter geworden für ein paar Tage und für den nächsten Tag war Regen und in den höheren Lagen (da wo wir sind) Schnee gemeldet. Nachts rüttelte dann das Zelt sehr stark im Wind und als wir am nächsten Morgen aufwachen, sind wir komplett eingeschneit. Als Bonus hatte der Wind in der ersten Nachthälfte ordentlich Staub ins Zelt geweht, alles war also dreckig und nass wegen der Kondensation. Aber es hilft ja nichts. Wir packen im kalten Schneesturm das Zelt zusammen und wandern erstmal los. Den ganzen Tag wollen wir nicht aufhören zu wandern, sonst wird es sofort zu kalt. Der Schnee stapelte sich schon auf unseren Rucksäcken, Schultern und Kopf. Und dann auf einmal im frischen Schnee: Fußspuren eines Pumas, der gerade den PCT gekreuzt hat. Er oder sie muss gerade erst hier gewesen sein, denn es schneite ununterbrochen und die Spuren waren ganz neu. Den Puma haben wir aber nicht gesehen.

Es hört langsam auf zu schneien, aber dann die nächste Herausforderung. Wir müssen mehrmals einen knietiefen, eiskalten Gebirgsbach überqueren, den Holcomb Creek. Das kostet einen schon einiges an Überwindung, wenn einem schon so kalt ist, man das Gefühl hat die Finger frieren einem ab und dann soll man jetzt noch in nassen Schuhen weiter laufen?! Et hilft alles nischt. Wir müssen da durch. Auch hier haben wir drei andere Wanderer getroffen (Yellow jacket, Woody und Siesta) und in der Gruppe geht es einfacher. Und wir sollten an dem Tag tatsächlich unter diesen Bedingungen 33 km zurücklegen.

David fand, das war der bisher beschissenste Tag auf dem PCT. Man muss dazu auch sagen, dass der arme David auch nass bis auf die Knochen war und ihm dementsprechend kalt war, da seine leichte Windhose nur bedingt wasserdicht ist (Miri hat eine richtige Regenhose dabei, ist aber schwerer als eine Windhose). Und obendrauf haben wir auch keine Mittagspause gemacht im Sturm. Kalt, nass und hungrig…. Brrrr. Miri fand es eigentlich ganz cool sich im Schneesturm ins Abenteuer zu schmeißen und durch ein Winter-Wonderland zu laufen. Das war einfach mal ein ganz anderer Tag auf dem PCT, auch wenn’s so kalt war.

Trotz des harten Tages in Schnee, Wind und Kälte waren wir am nächsten Tag noch fit genug, einen neuen Tagesstreckenrekord aufzustellen. Am 05.04. laufen wir über 40 km zum Silverlake Campground. Wir merken einfach, wie sich unsere Körper ans Laufen gewöhnt haben und steigern unsere Kilometer im Vergleich zum Anfang. Die Füße tun trotzdem jeden Tag weh, nur das wir mehr Meilen schaffen. Auch von der Gesamtstrecke her ist jeder Tag hier draußen ein neuer Gesamtstreckenrekord für uns. Mittlerweile haben wir schon an die 900km auf’m Buckel. Was auch hinzukommt, ist der berühmte hiker-hunger, der Wanderer-Hunger. Wir könnten einfach pausenlos essen und viel. Es ist schon witzig, wie viel Snacks und Süßkram wir uns reinpfeifen, um irgendwie unseren Kalorienbedarf zu decken und trotzdem keinen Gramm zunehmen und andauernd Hunger haben. Zwei Tage vor Wrightwood eines Morgens dann eine böse Überraschung. Miri hat schon immer mal wieder Probleme mit der linken Achillessehne (auch schon damals auf dem Jakobsweg ein alt bekanntes Problemchen…) und manchmal wird der Fuß auch richtig dick. Und dann am besagten Morgen ist das Fußgelenk ganz steif und tut weh, sodass Miri nicht richtig laufen kann und humpelt. Hmm das ist natürlich blöd, aber meistens, wenn man sich ein bisschen einläuft geht es. So aber nicht an diesem Tag. Wir sagen uns, wir schauen wie weit wir kommen und stellen uns auf einen kurzen Tag ein. Höchstens 20 km mit vielen Pausen sagen wir uns. Wir kommen nur langsam voran. Und dann als wir ca. 20 km geschafft haben irgendwie, ist keine Zeltmöglichkeit in Sicht. Nur Steilhänge links runter und rechts hoch und bittererweise müssen wir weiterziehen. Am Ende kommen wir nach insgesamt 31 km an, an eine Zeltmöglichkeit, völlig fertig mit der Welt und sehr spät. Niemals hätte Miri das für möglich gehalten mit ihrem Humpelfuß, so lange zu wandern. Das war der bisher beschissenste Tag für Miri und auch der letzte bis jetzt.

Glücklicherweise war Miris Humpelfuß am nächsten gar nicht mal so schlimm wie am Tag zuvor, kein humpeln mehr da, sodass wir den Aufstieg nach Wrightwood wagten. Von dem Tal wo wir gezeltet hatten, steigen wir gegen 6:30 Uhr morgens ca. 1000m auf in von Wolken eingehüllte Berge. Später machen wir gegen 8 Uhr eine kurze Frühstückspause mit Crumbs und Juice, zwei andere Wanderer, die am gleichen Tag mit uns gestartet und die wir immer wieder sehen, gemeinsam essen und zelten, Teil unserer tramily. Beim Frühstück reißen dann die Wolken auf. Die Sonne kommt durch und wir haben wieder einen grandiosen Blick auf schneebedeckte Berge. Auch hier hatten wir Glück. Dieser Teil vom PCT war zwei Tage vorher noch wegen Waldbrand gesperrt gewesen und erst gerade wieder für PCT- hiker geöffnet worden. Wir konnten die Brandstelle im Nachbartal sogar vom Trail aus sehen. Generell ist dieser Abschnitt gekennzeichnet von recht steilen Hängen unter einem und an manchen Stellen ist der Trail echt ausgewaschen.

Kurz vor dem steilen Abstieg in die Mountain-Town Wrightwood dann nochmal eine kleine Überraschung. Hier oben liegt noch viel Schnee und links von uns geht es steil den Hang runter. Da müssen wir tatsächlich nochmal unsere Eisaxt und microspikes rausholen und steile Hänge im Schnee travesieren. Der PCT ist doch immer für eine Überraschung gut. Wir kommen aber heil an in Wrightwood und machen dort sogar zum ersten Mal 2 Tage Pause und haben uns ein kleines gemütliches Apartment gebucht.Als wir dann zwei Tage später von Wrightwood wieder aufbrechen, entscheiden wir uns anstatt dem PCT den für Autos zur Zeit gesperrten Highway 2 zu laufen, was viele andere Wanderer als Alternative auch getan haben. Hintergrund war der, da auf dem eigentlichen PCT noch viel Schnee liegt, unglaublich steile Hänge zu überqueren sind und die PCT Route in sehr schlechter Verfassung war.

Der road walk auf dem Highway war aber auch beeindruckend und scenic. Ein Drittel vom Highway selbst lag unter Schnee noch und es gab viele Erdrutsche dort und große Steinbrocken, über die man klettern musste. Da haben wir gedacht, das wird ja echt noch Wochen und Monate dauern, bis die den Highway wieder für Autos befahrbar machen. Links vom Highway 2 liegt das weite Tal von Los Angeles, was aber permanent unter einer Wolkendecke lag und nie sichtbar war. Also L.A. haben wir leider nicht in der Ferne gesehen. Nach ca. 30 km road walk auf dem Highway kommen wir an einen Zeltplatz mitten im Wald an, der aber auch komplett noch im Schnee lag. Es war einfach eisig dort. Und man sehnte sich nach einer normalen etwas wärmeren Nacht, wohl wissend, dass man diese Gedanken auch wieder bereuen würde, wenn wir später den Schlenker durch die heiße Mojave Wüste laufen würden….

Die nächsten Tage laufen wir weiter und verlassen die höheren Lagen mit Schnee und es wird tatsächlich wärmer. Wir laufen mal 40, aber meistens um die 32 km an einem Tag und erreichen am 13.05. unser nächstes Ziel, Agua Dulce. Hier hat ein Anwohner, Farmer John, eine hiker-Oase eröffnet und hier konnten wir zelten, duschen und Wäsche waschen und waren sogar mexikanisch essen. Frisch geduscht und in gut riechenden Klamotten machen wir uns auf den Weg zum unserem nächsten Ziel, die Stadt Tehachapi, und sehnen uns schon ein bisschen nach dem nächsten Zero-Day (Pausentag). Wrightwood scheint schon so lange her. Aber bis Tehachapi müssen wir noch 6 Tage wandern. Bevor wir aber die Wüstenlandschaft erreichen wandern wir erst nochmal durch herrliche Wiesen und Steilhänge mit meterhohem Gras. David springt einmal drei Meter in die Luft, als da plötzlich eine Klapperschlange vor ihm mitten auf dem Weg chillt.

Die Temperaturen nehmen deutlich zu und wir laufen den Schlenker um das Tal der Mojave Wüste. Es sind fast 30 Grad. Wir sehen wieder viel mehr Eidechsen und auch Schlangen, auch die gefürchteten Klapperschlangen sind wieder dabei.

Einmal lassen wir auch einen Stück von Trail aus und laufen stattdessen auf einer parallel dazu verlaufenden Schotterstraße (dirt road), da der Trail in diesem Abschnitt mit poodle dog bush überwuchert sein soll. Wir kannten die Pflanze vorher auch nicht, aber wenn man die berührt kommt es zu starken Hautreizungen, Ausschlag mit Pusteln und Blasen. Wenn der Strauch die Hose berührt, sollte man diese danach wegschmeißen. Was es hier draußen in Südkalifornien einfach alles gibt….

Wir verlassen die Zone mit dem poodle dog bush und stellen uns auf die bevorstehende Nachtwanderung am 17.05. ein. In diesem Streckenabschnitt läuft man eine Weile am L.A. Aquedukt entlang, die große Wasserleitung die L.A. mit Wasser versorgt. Und da es der heißeste Tag sein sollte, unten im Wüsten-Tal entlang einer Schotterstraße, hieß es für uns um 2:30 morgens aufstehen, um die sengende Hitze zu umgehen. Und so marschieren wir um 3 Uhr nachts los mit Stirnlampe unter einem leuchtenden Sternenhimmel. Es war Neumond und daher sehr dunkel und über uns leuchteten die Millionen von Sternen in der Milchstraße. Es war magisch. Auch wieder ein anzeigeartiger Tag oder eher Nacht auf dem PCT.

Gestern dann, am 18.05., sind wir in Tehachapi angekommen. Was es sonst noch neues gibt? Wir beide haben mittlerweile unsere trail Namen erhalten. Jeder hat auf dem Trail einen trail Namen. Regel ist dabei, dass ein anderer Wanderer einem den Namen gibt. Miri heißt jetzt Starpower (gemeint ist der Stern bei Mario cart, der einem einen Energieboost gibt und man an allen vorbeizieht). Besonders bergauf wird Miri dem Namen besonders gerecht und maschiert einfach durch und an allen vorbei. Den Namen hat sie von Yellow Jacket bekommen. David hat sich 900 km gegen den Namen Sweetheart gewehrt, der ihm von Crumbs gegeben wurde. Als sich als Alternative Poopy leg anbahnte und der Name immer weitere Kreise zog, hat er sich dann doch für Sweetheart entschieden und heißt jetzt so für alle anderen Wanderer.

David & Miri, Tehachapi, 19.05.2023

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