Sierra Nevada

Meilen 704 – 794

Kilometer 1132 – 1271

Schnee. Sehr viel Schnee wird uns auf diesem Abschnitt begegnen. Kälte. Höhe. Eis. Hitze. Sonne. Wolken. Gewitter. Hagel. Atemberaubende Ausblicke. Die höchsten Berge auf dem PCT. Respekt. Angst. Glück. Demut. Freude. Spannung. Und so manches mehr.

Wir wissen gar nicht wo wir anfangen sollen und, ob wir das Erlebte überhaupt in Worte fassen können, um es gerecht wieder zu geben. Wir sitzen gerade in einer Holzhütte und David entfacht ein Feuer im Kamin. Es ist der 8. Juni 2023. Aber wir gehen nochmal zurück zum 30. Mai, als wir von Kennedy Meadows aufgebrochen sind in die High Sierra, das Abenteuer ins Ungewisse. In eine Bergwelt, die seit 1952 den höchsten Schneestand seit Beginn der Aufzeichnungen verzeichnet. Nur wenige PCT-ler erleben die Sierra Nevada in dieser surrealen Schneepracht.

Nachdem wir am 26.05. in Kennedy Meadows angekommen waren und damit die Wüsten-Sektion vom PCT beendet haben, hieß es für uns einen Plan bzw. Strategie überlegen, wie es für uns weiter geht. Wir haben uns hier schon von vielen anderen PCT-Wanderern verabschiedet, da die meisten die High Sierra wegen dem vielen Schnee direkt überspringen und in Nordkalifornien weiterlaufen. Da aber in Nordkalifornien auch noch Schnee liegt, hatten wir uns überlegt dennoch ein paar Tage in die High Sierra rein zulaufen und so einen Eindruck dieser schönen Bergwelt mit dem vielen Schnee zu bekommen. Wir hatten für 8 Tage Essen dabei und eine Exit-Strategie, falls wir vorher aussteigen wollten, hätten wir die Möglichkeit über den Cottonwood Pass wieder in die Zivilisation zu gelangen.

Die ersten 20 Meilen (32 km) ab Kennedy Meadows waren noch schneefrei und wir konnten in unserem normalen Tempo gut wandern. Das einzige was sich jetzt schon negativ bemerkbar machte, war der schwerere Rucksack. Ein Satz wärmere Winter Klamotten hatten wir mehr dabei und der obligatorische „bear can“, der Bärenkanister, in dem das Essen hier aufbewahrt werden muss. Ein Wanderer, der aus der Sierra zurück kam, hatte uns sogar berichtet, dass er von Park Rangern kontrolliert wurde, ob er sein Essen auch Bären-konform aufbewahrt. Unser Essen hat auch nicht ganz in die beiden Bärenkanister reingepasst, sodass wir den Rest dann in einer hang-bag mit einer Kordel im Baum aufgehangen haben. Unsere Bear cans und die häng bag müssen wir dann 100 m vom Zelt weg platzieren bzw. hängen. Hintergrund ist der, dass die Schwarzbären, die hier leben, nicht lernen sollen, dass es Essen gibt, wo Menschen sind.

Dann treffen wir am 31.05 nach unserer Mittagspause in der Sonne knapp unter 3000m Höhenlage auf den ersten Schnee, der bis zum Ende dieser Etappe auch nicht mehr verschwinden wird. Ab jetzt ist Schneewandern angesagt. Nach ein paar Metern entscheiden wir uns die Mirkospikes über die Schuhe zu ziehen. Die Sonne hat die obere Schneeschicht ordentlich aufgeweicht. Mit den Spikes rutschen wir zwar immernoch, aber es geht etwas besser.

Wir kommen nun deutlich langsamer voran als sonst, aber es ist machbar. Wir schaffen so 1.5 Meilen pro Stunde, anstatt zuvor 2.5. Gleichzeitig ist es sehr ermüdend und kostet einen mehr Energie, jeden Schritt mit Bedacht zu wählen, sich mehr zu konzentrieren, nicht auszurutschen, sich wieder zu fangen, falls man es doch tut, und gleichzeitig ist der Rucksack viel schwerer als sonst. Da müssen wir uns erstmal 2 Tage dran gewöhnen.

Auch die Navigation ist erschwert. Der Trail ist nicht sichtbar und liegt unter 3-4 m Schnee. Wir folgen meist älteren Fußspuren im Schnee. Manchmal sind die auch schon weggeschmolzen und dann holen wir die Karte auf dem Handy raus. Ohne GPS und der Karten-App auf dem Handy wären wir aufgeschmissen gewesen. Hinzu kommt, dass durch den vielen Schnee die Topographie-Situation verändert und manchmal sogar verschärft wird. Die ein oder andere Bergflanke ist jetzt noch steiler. Da muss man erstmal schlucken, die sicher zu travesieren oder runter zu steigen.

Meistens sind wir um 4 Uhr morgens aufgestanden, da ist der Schnee um 5 bis ca. 8 Uhr noch hart und man legt ne gute Strecke zurück unter den Bedingungen. Ab 8 und 9, sobald die Sonne höher am Himmel steht, wurde der Schnee wieder weich und das Rutschen ging wieder los. Auch das „postholen“ wurde zum ständigen Begleiter. Das bedeutet, man macht einen Schritt und auf einmal versackt dein ganzes Bein im Schnee, weil darunter ein Hohlraum oder Loch war.

Vom Wetter her war es morgens eigentlich immer sonnig und direkt warm. Die Sonne hatte echt Power und so wurde einem manchmal richtig heiß – trotz Höhe und Schnee. David ist sogar die meiste Zeit in der Shorts gewandert. Ab Mittag hat es sich dann täglich zugezogen und wir konnten beobachten, wie die Wolken dunkler und dunkler wurden. Es war jeden Tag Gewitter gemeldet. Manchmal haben wir was abbekommen von Donner, Hagel und Regen, manchmal sind wir verschont geblieben. In den Bergen ändert sich das schnell.

In diesen ersten Tagen in der Sierra haben wir vereinzelt auch nochmal andere Wanderer-Gruppen getroffen, die sich auch in die High Sierra gewagt haben und man hält mal hier und da ein Pläuschchen.

Eines Morgens dann sitzen wir am Cottonwood Pass, der Exit zurück in die Zivilisation, und machen erstmal Frühstück. Die wenigen Leute, die wir hier oben getroffen haben, werden hier aussteigen, da der Weg ab hier nur noch beschwerlicher wird. Wir waren die letzten Tage hin und hergerissen, ob wir auch hier aussteigen oder weiter gehen sollen. In Momenten in denen man im matschigen Schnee versucht vor Hagel und Gewitter zu flüchten und dabei mehrmals umknickt und ausrutscht und der schwere Rucksack einem fiese Druckstellen verpasst, verflucht man diese erschwerten Bedingungen und hat oft gedacht, nein danke, wir nehmen die nächste Ausfahrt. Als wir dann aber hier sitzen, herrscht eine andere Stimmung. Uns geht’s gut. Wir haben uns an den schwereren Rucksack gewöhnt und uns ein bisschen das Gewicht vom Rücken weggefuttert. Wir sind gar nicht so langsam wie vorher angenommen und schaffen die erforderlichen Meilen am Tag oder sogar mehr. Und David entpuppte sich als guter Navigator hier oben. Es fühlt sich an wie ein Fehler jetzt schon auszusteigen. Wir zählen unser Essen und es reicht noch bis Forester und Kearsarge Pass. Wir entschließen uns weiter zu laufen.

Direkt hinter Cottonwood Pass, führt der Weg an der Nordseite eines Berges entlang und hier ist es tatsächlich so steil, dass wir zum ersten Mal hier oben die Eisaxt rausholen müssen. Ab hier wird der Weg nochmal deutlich tougher und höher. Im Hinterkopf stets, dass wir jetzt auf Forester Pass zusteuern, den höchsten Punkt des Pacific Crest Trail, 4009m über dem Meeresspiegel. Von der vorherigen Planung wissen wir, dass es am Forester Pass einige knifflige und sehr steile Stellen zu überwinden gibt. Klar müssen wir da erstmal hinkommen, aber der Respekt vor dem Pass im Hinterkopf wird ein ständiger Begleiter sein die nächsten Tage.

Wir laufen weiter, über einen Kamm mit viel Schnee und dicker Schneekante. Wow, was für ein Ausblick hier oben. Die Landschaft ist weitläufig bergig, übersät mit einem riesigen zusammenhängenden Wald und eingehüllt in einen weißen Mantel, sowohl Täler als auch Berge. In den weißen Tälern sieht man die breiten Schmelzflüsse, die sich ihren Weg schlängeln. Die sanften Berge im Vordergrund werden übertront von felsigen, dramatischen Bergmassiven. Blicke die einen mit Wehmut, Sehnsucht und Stolz erfüllen, dass man es bis hierhin geschafft hat. Nach da oben in diese hochalpine Welt, da werden wir noch reinlaufen. Sind wir dem gewachsen? Wir sind gepackt von Motivation und Respekt.

Wir gehen bzw. ab Vormittag rutschen wir unseren Weg weiter. Es ist anstrengend. Manchmal geht es an den Bergflanken steil runter, aber wir holen nicht mal die Eisaxt raus. Nach dem endlosen Wandern im Schnee sind wir sicherer geworden. Immer wieder verlieren wir den Weg. Es gibt verschiedene Stiefelspuren, die dann wieder weggeschmolzen sind von der Sonne und durch das Weg-suchen verlieren wir Zeit. An einer Stelle geht es fast 50 Grad steil geradeaus den Berg runter. Wir können auch nicht nach links oder rechts ausweichen. Hier ist es überall so steil, aber der Weg geht da lang. Es Ist zu steil zum rutschen und es sind überall Bäume am Hang. Gruselig. David geht vor, haut mit der Fußhacke nochmal ordentliche Stufen in den Schnee rein. Langsam und mit höchster Konzentration steigen wir ab. Bloß nicht ausrutschen oder hinfallen. It was nerv-wracking at times. Beizeiten war es echt nervenaufreibend.

Wir sind die meiste Zeit auf 3000 – 3500 m Höhe unterwegs. Müssen auf Schnee zelten und es ist so eisig, sobald die Sonne hinter den dicken dunklen Nachmittagswolken verschwindet. Wenn man nicht in Bewegung ist und wandert, will man sich nur noch in den Schlafsack legen, um nicht kalt zu werden.

Mit den gefürchteten river crossings, den Flussüberquerungen, hatten wir relativ Glück. Mal hatten wir eine Überquerung in einem Tal auf einer weiten Wiese. Der Fluss war zwar relativ breit, aber floss nur ganz gemütlich und langsam vor sich hin, sodass wir durchwaten konnten. Die anderen waren zwar schon gefährlicher, da das Wasser schnell und mit wucht über Felsen schoss, aber die Schneebrücken waren noch intakt und ermöglichten uns ein einfaches Rüberkommen. Mal gab es Schneebrücken direkt am „trail“ oder wir mussten weit flussaufwärts wandern, um eine zu finden. Oder man balancierte mal über einen angespülten Baumstamm, nicht ganz unwacklig…

Hinter Cottonwood Pass ist es nochmal deutlich einsamer geworden. Wir sind nur zu zweit hier draußen und es fühlt sich wie wahre Einsamkeit an in dieser abgeschiedenen Bergwelt, wo Bären und Pumas leben. Wir treffen hier niemanden mehr. Der Trail ist so ganz anders als zuvor.

Es ist schon spät am Tag und wir haben noch eine Flussüberquerung vor uns, bei der wir lange flussaufwärts nach einer Brücke suchen müssen. Puh geschafft. Es ist immer ein Pokern, wenn man eine Schneebrücke betritt. Bitte nicht einbrechen. Wir füllen nochmal Wasser auf für kochen heute Abend und den nächsten Tag und machen den letzten Anstieg für heute. Wir wollen auf einem höheren Plateau zelten und hoffen dort eine schneefreie Stellen zu finden, wo wir zelten können. Die Chancen stehen gut, denn das Plateau hat Südhang-Lage. Völlig erschöpft kommen wir oben an und nichts Schnee freies ist in Sicht. Überall liegt noch dick Schnee. Unter einer großen Fichte dann ein schneefreies Loch. Hier wollen wir bleiben. Es ist immer angenehmer, wenn man nicht auf Schnee zelten muss.

Das Zelt ist aufgebaut und heute ist Miri dran mit kochen. David liegt im Zelt im Schlafsack. In der Ferne hören wir ein Tier wiedholt etwas rufen, es hört sich an wie der Brunftschrei eines Hirsches. Der Gaskocher läuft, um Wasser zum Kochen zu bringen. Man hört das Zischen und Flackern der Flamme. Ansonsten ist es still. Nur der Wind pfeift durch die Kiefern und Fichten. Auf einmal ruft jemand aus: „No fucking way!“ Miri schreit auf (das kam unerwartet) und nimmt eine Gestalt von rechts kommend war. Was für ein Schock. Wir haben ewig niemanden mehr gesehen und man erwartet es auch irgendwie nicht mehr. Es ist „Crumbs“! Er ist wie unser kleiner trail Bruder, ein 20 jähriger Amerikaner aus Oregon. Wir alle drei können es kaum glauben! Crumbs ist eigentlich einen Tag vor uns aufgebrochen! Miri muss erstmal den Kopf schütteln. Warum ist er alleine unterwegs. Grundregel Nummer 1, gehe niemals alleine in die Sierra unter diesen Bedingungen. Er erzählt uns, wie sich seine Gruppe aufgeteilt hat und er jetzt versucht die andere Gruppe, die einen halben Tag voraus ist aufzuholen, weil er mit denen morgen schon den Forester Pass erklimmen will. Es ist schon sehr spät und man sieht es Crumbs an, dass er außer Atem und fertig ist. Er entschließt sich zum Glück bei uns zu bleiben und nicht alleine weiter zu gehen und gleichzeitig überredet er uns beide, mit ihm um 1 Uhr morgens aufzustehen, um gegen 6 Uhr morgens am Fuß vom Forester Pass zu sein und den Pass zu erklimmen. Eigentlich sah unser Plan anders aus. Wir wollten morgen nicht so früh aufstehen, sondern morgen nur bis zur Base laufen und Forester am darauffolgenden Tag zu erklimmen. Nach langem Überlegen stimmen wir zu zu Crumbs Plan und gehen um 19 Uhr in die Schlafsäcke, ziehen die Mützen über die Augen und versuchen zu schlafen. Das wird ein tougher Tag morgen! Es ist still und alle versuchen zu schlafen, als wir plötzlich das Bersten von Holz hören und einen dumpfen Aufprall. Ein Baum ist umgefallen in der unmittelbaren Nähe. Da sind wir alle nochmal kurz wach. Aber es bleibt nur bei dem einem Baum und irgendwann sind wir alle eingeschlafen.

Wir sind vor dem Wecker wach, ziehen unsere Stirnlampen auf und fangen an zu packen und das Zelt abzubauen. Da man in seinen Wander-Klamotten schläft, geht es recht zügig. Schlafsack verstauen, alles in den Rucksack, Zelt abbauen, fertig. Erst jetzt nehmen wir es war. Über uns zwischen den Tannenspitzen sehen wir ihn. Es ist ein perfekter Vollmond. Und er erleuchtet alles hell. Ein paar Sterne sieht man auch. Der Schnee ist perfekt hart zum laufen und wir sehen unsere dampfenden Atem im Mondschein. Kurz vor 2 laufen wir los. Im Dunkeln ist die Navigation noch etwas schwerer als bei Tageslicht, aber dafür ist der Schnee noch schön gefroren und hart. Der Wald, durch den wir zuerst laufen wird lichter und man erkennt im Mondschein die ersten Bergspitzen. Und darüber einen Sternenhimmel. Die Stimmung in der Nachtwanderung ist einzigartig. Wir verlassen den Wald und laufen über ein freies Schneefeld, zu unserer linken, ein gefrorener See, den wir nur aufgrund der Karte da vermuten. Der Blick um uns herum ist unglaublich! Ohne Worte blicken wir um uns herum, 360 Grad. Das Licht des Vollmondes bringt eine Sierra Nevada zum Leben, die wir vorher noch nie so gesehen haben. Das Licht ist so hell, dass wir alles sehen können, die schneebedeckten höchsten Berge auf dem PCT und darüber ein Sternenfirmament und im Vordergrund wechseln sich weiße Schneefelder mit schwarzen Wäldern ab. Es ist so einzigartig und wir sind so ergriffen, durch diese Landschaft in dieser Stunde zu laufen. Wir fragen uns welcher von den Bergkämmen der Forester Pass ist.

Eine Schneebrücke rettet unser Vorhaben, wir hören schon von weitem den Tyndall Creek. Das ist der bisher größte und reißenste Fluss, den wir bisher überquert haben. Ohne Schneebrücke wäre hier kein Durchkommen gewesen. Allein das Getöse des Wassers flößte einem Respekt ein und im Dunkeln nahm man die schwarzen Fluten war.

Wir laufen weiter, durch einen Wald weiter Berg hoch und dann wieder über ein weites Schneefeld. Stets bergauf. Dann nehmen wir Leute hinter uns war. Wir sehen das Leuchten von Stirnlampen, vielleicht einen Kilometer hinter uns. Wow. Das ist echt beruhigend. Wir sind nicht die einzigen hier draußen. Es ist zwischen 4 und 5 Uhr morgens und es fängt an zu dämmern und wir erkennen die anderen Gestalten. Wir werfen uns motivierende Jubelrufe zu und laufen weiter. Irgendwann haben uns die anderen eingeholt und wir können es kaum glauben! Es sind „Smoothie“ und „Hotlips“ und weiter hinten sind noch „Tbone“ und „Juice“!!! Die Freude ist groß! Wir sind alle am gleichen Tag am 12. April gestartet an der mexikanischen Grenze und da ist auf einmal unsere komplette tramily einfach wieder unverhofft vereint! „Sweetheart!!, Starpower!!!“ Rufen die anderen. „No way! What are you doing here?! Haha…“ Wir hatten uns alle in Kennedy Meadows voneinander verabschiedet. Auch die sind 2 Tage vor uns aufgebrochen in die Sierra Nevada und für uns war zu dem Zeitpunkt unklar, ob wir überhaupt soweit in die Sierra Nevada reinlaufen werden. Wir waren wir so Wackelkandidaten und keiner der anderen hatte noch mit uns gerechnet. Wir können es alle nicht fassen und die Freude ist groß. Es ist wie vor ein paar Wochen noch bei der Besteigung des San Jacinto. Den haben wir damals schon zusammen erklommen und jetzt werden wir Forester Pass gemeinsam erklimmen. Wir sind alle außer uns über diesen unerwarteten Zufall und marschieren die letzten Meter zur Base des Forester Pass motiviert gemeinsam. Der PCT und seine Überraschungen. We love it.

An der Base von Forester Pass pfeift sich jeder nochmal ein Snickers oder Power Riegel rein und wir studieren die steile Wand aus Schnee und Eis. Wir erkennen den Boot track, der im Zick-Zack heraufführt. Und wir laufen los. Höchste Konzentration bei jeden Schritt. Die Eisaxt fest im Griff. David sagt rückblickend, er habe kein mal runter geschaut. Man konnte gut dem Boottrack folgen, und da wir so früh morgens da waren, war alles noch gefroren und man ist nie gerutscht. An einer Stelle ging es mal wie bei einer Leiter gerade aus eine Eiswand hoch, anstatt im Zickzack vorbei. Kurz vor dem Pass die schwierigste und gefährlichtse Stelle. Es gilt eine steile Eisrutsche zu überqueren. Einer nach dem anderen passiert die Stelle und als alle heil rüber gekommen sind, bricht erstmal der Jubel los und die Erleichterung ist allen anzumerken.

Gegen 7 Uhr stehen wir dann alle oben am Pass-Schild des Forester Pass. 13.200 Feet, das sind 4009 m über dem Meeresspiegel. Der höchste Punkt des Pacific Crest Trail. Was für ein Privileg hier oben zu stehen. Nur wenige erleben die High Sierra und Forester unter diesen Bedingungen. Beizeiten hatten wir es nicht für möglich gehalten, dass wir mal hier oben stehen würden. Und die Aussicht zu allen Seiten ein hochalpines Bergpanorama. Miri schießen die Tränen in die Augen. Hier kommen ganz viele Emotionen zusammen. Ab jetzt geht es ja quasi nur noch bergab bis Kanada…

Während die anderen sich die ein oder andere Gipfel-Zigarette gönnen, machen wir Fotos und lachen und genießen einfach den Moment hier oben. Und später heißt es für uns, dass wir wie damals bei der Besteigung des San Jacinto auf dem Popo die Hänge vom Forester Pass herunter rutschen. Mal rutschen wir, mal gehen wir umgeben von dem bisher eindrucksvollsten Bergpanorama, was man sich vorstellen kann. So viel Schnee und wir sind mitten zwischen den felsigen Bergspitzen. Und man hat das Gefühl, die Fotos, die man macht werden dem Ganzen einfach nicht gerecht.

Wir steigen weiter ab in ein wunderschönes Tal, was vor uns liegt, wo dann auch wieder Bäume wachsen und ein Wald steht. Wir sehen hier an einer Stelle, was eine Schneelawine anrichten kann. Ein ganzer Waldstrich liegt horizontal und völlig verwüstet vor uns. Hoffentlich geht nicht nochmal eine ab, während wir hier sind. Die Natur ist einfach gewaltig.

Wir zelten am tiefsten Punkt in Tal auf 3000m. Wir trocknen unsere Socken und Schuhe in der Sonne und gehen auch früh ins Bett. Am nächsten Tag ist der Abstieg und Ausstieg zurück in die Zivilisation geplant. Wir werden einen ganzen Tag brauchen, um vom Trail zu einer Teerstraße zu gelangen. Wir nehmen den Kearsarge Pass nach Independence. Wir stehen um 3 Uhr morgens auf und als wir los laufen eine böse Überraschung. Es hat nicht gefroren in der Nacht und es ist verdächtig warm. Das ist kein gutes Zeichen. Und ein Weckruf, dass wir noch ein gutes Zeitfenster für die High Sierra erwischt haben und es jetzt zu warm wird, um weiter durch die Sierra zu laufen. Die Schmelze im Juni geht jetzt erst richtig los.

Der Ausstieg über den Kearsarge Pass ist überraschend schön. Eine dramatische Bergkulisse und gefrorene Seen. Darüber scheint der Mond und der Himmel färbt sich purpur. Danke für diese unglaublichen Bilder und Erinnerungen. Wir werden dieses einzigartige Erlebnis nie vergessen.

Später kommen war an eine Teerstraße, die allerdings noch gesperrt ist. Wir warten vielleicht höchsten 5 Minuten als ein Pickup vorfährt und einen Wanderer raus lässt. Wir können unser Glück kaum fassen. Die Straße ist gesperrt und wir hatten uns auf einen langen Weg eingestellt. Wir quetschen uns zu 11 in den Pickup für den Weg bergab. So bleibt uns ein ganzer Tag wandern auf der gesperrten Straße erspart! Die Straßensperre schieben wir natürlich dann auch artig wieder zurück, als wir an die Stelle kommen. So finden wir den Weg zurück in die Zivilisation.

Wir machen eine Woche Pause und beschließen dann in Nordkalifornien weiterzulaufen.

Die Entscheidung fällt uns sehr schwer, aber sie ist leider in diesem Jahr notwendig. Im Winter sind wichtige Brücken in der High Sierra zerstört worden. Zusätzlich sind kleinere Flüße zu reißenden Bergflüssen mutiert, die es zu überqueren gilt. Bislang hatten wir großes Glück mit Schneebrücken, aber diese sind auf den nächsten Abschnitten nicht mehr sicher vorhanden. Zusätzlich sind fast alle Zufahrtsstraßen zu den Trailheads noch unter Schnee und gesperrt. D.h. man braucht mindestens einen vollen Tag vom Trail zur Versorgungsmöglichkeiten. Also noch mehr Essen tragen. Mehr als 10 Tage ist einfach nicht möglich für uns und unsere Rucksäcke. Oben drauf sind 2 wichtige Versorgungsstellen in der Sierra nicht geöffnet. Wir nehmen also schweren Herzens Abschied vom „sauberen“ Thruhike und überspringen die weiteren hohen Berge. Wir werden weiterhin auf Schnee treffen, aber in geregelten Maßen (hoffentlich). Falls wir schnell durchkommen sollten bis Kanada, haben wir uns vorgenommen wiederzukommen und die Lücke am Ende zu schließen. Wir sind gespannt. Für uns geht es also am nächsten Dienstag weiter in Nordkalifornien in der Nähe von Chester.

David&Miri aka Sweetheart & Starpower, Bishop, 8. Juni 2023

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Jutta Flitsch

    Die Bilder und euer Bericht sind gigantisch. Wie mag das erst in Wirklichkeit für euch sein, kaum vorstellbar. Passt auf euch auf und bleibt heil. Liebe Grüße aus der Heimat

  2. Jutta Flitsch

    Die Bilder und euer Bericht sind gigantisch. Wie mag das erst in Wirklichkeit für euch sein, kaum vorstellbar. Passt auf euch auf und bleibt heil. Liebe Grüße aus der Heimat

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