nordkalifornien

Meilen 1332 – 1720

Nordkalifornien, oder in cool „NorCal“. Nach dem rasanten Sprung nach vorne wegen des Schnees und der Flüsse haben wir uns entschieden in Chester wieder auf den Trail zu gehen. Wir haben gut 540 Meilen geschlabbert, also circa 20% vom Trail. Unsere Permit für den PCT erlaubt leider nicht für diesen Teil zurück zu kommen, weil dieser Teil zu den beliebtesten Wanderwegen der USA zählt (John Muir Trail). Man braucht dann einzelne, lokale permits. Miri würde gerne am Ende wieder zurück kommen, David kommt es eher gelegen so wie es ist.

Wir sind nach einer Woche Pause hoch motiviert in Chester gestartet. Zur Begrüßung gab es Blitz und Donner, aber netterweise nicht direkt über uns. Der erste Teil wird dominiert vom Vulkan Lassen, ein schneebedeckter Vulkan in der Ferne. Der letzte Ausbruch war vor circa 100 Jahren, aber das wussten wir erst am Ende. Der Teil ist nach etwas auf und ab am Anfang zur Abwechslung mal angenehm flach. Wir laufen mehrere Tage (circa 120 km) durch verbrannten Wald. Sehr beeindruckend wie viel hier einfach gebrannt hat. Die Suche nach Campingplätzen macht es etwas schwerer, weil wir nicht so gerne neben den toten Bäumen zelten wollen. Die heißen hier widow maker (Witwenmacher).

Ab und zu laufen wir immer noch über Schnee und passieren sogar einen Fluß mit Hilfe einer Schneebrücke, aber unsere Eisäxte müssen wir nicht mehr rausholen. Geologisch gesehen sind wir jetzt vom Gebirgszug der Sierra in das Kaskadengebirge gewechselt. Letzteres ist ein Gebirge vulkanischen Ursprungs und neben den schlafenden Vulkanen haben wir auch einen kochenden See gesehen (boiling lake) und übelriechende Dampfschwaden aus Erdlöchern.Von Chester laufen wir nach Burney. Am letzten Tag vor Burney laufen wir mit über 28 Meilen (45 km) einen neuen Rekord für uns. Wir wollen unbedingt Abends in der Stadt sein. Stadtessen kann wahnsinnig motivieren. Kurz vor Burney werden wir dann noch von einer Mückenplage heimgesucht. Beine, Arme und Schultern sind derbe zerstochen und es wird die nächsten Tage arg jucken. David zählte auf einer Schulter allein 40 Mückenstiche. Auf dem Weg sehen wir zum erstmal Mal in der Ferne den Mount Shasta. Ein sehr beeindruckender hoher Vulkan der nur ein wenig niedriger ist als Mount Whitney (höchster Berg USA ohne Alaska) an dem wir in der High Sierra vorbei gelaufen sind. Dieser Mount Shasta wird uns den Rest in Nordkalifornien begleiten. Der Trail macht hier eine (David meint extrem unnötige) Kurve und wir werden den Berg von 3 Seiten in der Ferne sehen.

Nach Burney kommt die Stadt Mount Shasta am Fuß des gleichnamigen Berges. Auf dieser Strecke brauchen wir dann doch nochmal kurz unsere Eisäxte. Es liegt noch Schnee und es ist steil. Anstrengende Kombination. Unsere Versuche den Schnee abseits vom Weg zu umgehen haben uns gezeigt wieviel mehr anstrengend und nervig es ist sich durch dicht gewachsenes Buschwerk auf steilen Hängen zu kämpfen. David meint sogar schlimmer als langsames Internet oder Edge Handy-Empfang. Auf dem Abstieg nach dem Schnee sehen wir ironischer Weise direkt unter Grizzly Peak unseren ersten Bären. Verständlicher Weise nimmt er voller Panik reiß aus als er Miri auf dem Trail sieht. Obwohl es ein kleiner, jüngerer Schwarzbär war, ist das schon beeindruckend so ohne Zaun zwischen einem. Er wirkt auch so jung, dass David sofort Schiss vor einer potentiellen Bären-Mama hat, die in der Nähe sein könnte. Wir streicheln also nicht und gehen weiter. Wir bauen unser Zelt schon um 3 Uhr Nachmittags auf, weil es anfängt zu regnen. Wir lernen später, dass es weiter oben auf dem Berg neu geschneit hat, also wieder Glück gehabt!

Aus unserer Vorbereitung wissen wir, dass Nordkalifornien der eher unbeliebte Teil des Pacific Crest Trail sein soll. Manch eine Wander:in brennt aus auf dem diesem Abschnitt und bricht den Trail ab. The NorCal Blues heißt es dann. Und wenn man paar Tage durch eine tote verbrannte Waldlandschaft läuft, kann einem das verständlicherweise auf die Laune schlagen. Wir hatten zwar diese Infos vorher aber für uns war Nordkalifornien aber überraschend schön, bergig und sehr waldig. Wir laufen viel durch hohe Tannenwälder und unser GPS Gerät meckert oft, dass es keinen Empfang hat. Der Duft ist herrlich und es riecht so oft nach Tannenbaum, dass einem automatisch Weihnachtslieder in den Sinn kommen. Miri sang oft: „Oh Tannenbaum, der David hängt am Gartenzaun…“ Wenn man mal aus dem dichten Nadelwald raus war, hatte man phänomenale Ausblicke auf verschneite Bergspitzen und schöne Bergseen.

Eines Abends liegen wir schon in unseren Schlafsäcken und wollen pennen. David hat natürlich die Ohrstöpsel drin und hört nichts. Auf einmal kinstert es im Unterholz direkt am Zelt. Miri versucht zu lokalisieren, das Geräusch kommt aus Richtung von unseren Füßen und immer näher. Es ist kein kleines Tier, hmm ein Bär? Es knackst weiter und scharrt auf dem Waldboden. Was immer es ist, es bewegt sich um unser Zelt herum. Jetzt ist es bei unseren Köpfen. David wirkt so als würde er schon schlafen, aber Miri kann nicht anders als mal nachzuschauen, was da draußen vor sich geht. Leise öffnet sie die Zeltreißverschlüsse und spät heraus. Und da guckt sie auf einmal ein schmatzenden und kauendes Reh an. So nach dem Motto „Is was?“ Es bleibt völlig ruhig und hat gar keine Angst vor Menschen und frisst einfach weiter. Wir hatten hier in Nordkalifornien so viele zutrauliche und witzige Reh Begegnung, was man aus Deutschland gar nicht kennt. Die rennen da ja immer sofort weg wenn die einen Menschen sehen. Hier sind die Rehe teils richtig neugierig und kommen nah ans Zelt oder zum Menschen. Wir sehen halt nicht aus wie ein gefährlicher Puma und irgendwie scheinen die keine Angst vor Menschen zu haben und grasen seelenruhig neben einem.

Von Mt Shasta laufen wir weiter nach Etna. Auf diesem Abschnitt hagelt es Meilensteine für uns. Die ersten 1000 Meilen sind geschafft! Gleichzeitig haben wir hier unseren neuen „half way point“ also die Hälfte vom Weg (wenn wir nicht zurück gehen und die High Sierra nachholen). Wir sind sehr dankbar, dass wir bis jetzt ohne größere Verletzungen oder Krankheit durch gekommen sind. Was uns hier auch mehr begegnet als zuvor sind die blowdowns, also umgestürzte Bäume auf dem Trail. David als Mann der Zahlen und Fakten zählte an einem Tag die Bäume, über die wir hopsen oder klettern oder umgehen mussten und kam auf 424 blowdowns an einem Tag. So viel dazu.

Nach der Stadt Etna der nächste große Meilenstein, wir erreichen nach sehr viel Kalifornien endlich den Bundesstaat Oregon. Kalifornien ist einfach soo lang und wir sind endlich in Oregon! Miri kriegt auf einmal das Gefühl, der Trail ist jetzt schneller vorbei als man denkt… Es sieht erstmal sehr ähnlich aus wie in Nordkalifornien. Erstaunlich bergig und viel Wald. Und es ist sommerlich heiß. Wir schwitzen mehr und verbrauchen mehr Wasser am Tag.Wir sind momentan in Ashland, der ersten größeren Stadt in Oregon und zufälligerweise können wir heute den Feiertag mitnehmen (Independence Day – 4th of July) und wir feiern mit einer Parade und Kampfjets die Unabhängigkeit von England. Why not.

Miri&David aka Starpower & Sweetheart, Ashland, OR, 4th of July 2023

PS: Wir hatten vor 2 Wochen in Ashland leider technische Probleme mit dem Upload, daher gibt’s den Bericht und Bilder zu Nordkalifornien erst jetzt etwas verspätet. Wir sind schon fast halb durch Oregon durch…

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. Lloyd

    This is Lloyd from Sisters, Oregon! It was great meeting you all. Prayers for an amazing remainder of your trip!

    1. DavidundMiri

      hey Lloyd! You actually checked out our blog 🙂 thanks again so much for the ride, it was one of the coolest ones so far on the PCT for us. We had a good time in the back of your truck! And we got to Washington 2 days ago. Take care

  2. Uschi

    Hallo Starpoer, hallo Sweathart,
    Ich möchte mal danke sagen, für eure tollen Berichte. War schon auf „Entzug“ nach der langen „Lesepause“.
    Eure Ausdauer hat unseren allergrößten Respekt. Möge alles Übel von euch fern bleiben.
    Dicken Drücker aus GM.
    Wir sind oft in Gedanken und Gesprächen bei euch. Haltet durch

    1. DavidundMiri

      Liebe Uschi, Danke für die Nachricht! Wir halten durch und freuen uns auf Wiedersehen in Oberberg:) ganz dicken Drücker zurück:))

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